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Hogrefe, Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 1(64), p. 67-71, 2016

DOI: 10.1024/1661-4747/a000261

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Wir brauchen eine Grundhaltung der vorurteilsfreien Begegnung im öffentlichen Raum, auch in Zeiten des «Wutbürgers»

Journal article published in 2016 by Sven Speerforck, Georg Schomerus ORCID, Harald J. Freyberger
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Abstract

Zusammenfassung. Vor dem Hintergrund des Zusammenhangs zwischen politischer Gesellschaftsgestaltung, der Prävalenz psychischer Erkrankungen und dem Organisationsgrad des psychosozialen Hilfesystems stellt sich die Frage nach einer politischen Rolle der Sozialpsychiatrie. In einer offenen Gesellschaft ist die vorurteilsfreie und solidarische Begegnungskultur eine wichtige Voraussetzung, um die Interessen von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen zu vertreten. Nicht zuletzt im Kontext der PEGIDA-Bewegung und «Asylkritiker» offenbart sich jedoch eine unübersichtliche Gemengelage von simplifizierenden Stereotypen, Sorgen und teils menschenfeindlichen Auswüchsen von Wut und Hass. Hier kann die Sozialpsychiatrie einen politischen Beitrag leisten: Indem sie Eskalationsspiralen frühzeitig benennt und erklärt, kann sie eine kritische Begegnung im öffentlichen Raum beeinflussen. Stereotype können das Selbstkonzept eines Bürgers kurzfristig stabilisieren. Eine schnelle und nicht diskursive Abwertung von Stereotypen im öffentlichen Raum kann zu deren Immunisierung sowie Wut und Hass führen. «Angst» und «Wutbürger» sind diminutive Ferndiagnosen mit entlastender Funktion, die diesen Prozess katalysieren. Akteure des öffentlichen Raumes wie Politiker und Journalisten nutzen ebenfalls Stereotype und sind häufig gezwungen, zwischen Wählbarkeit, wirtschaftlichen Interessen und der Kontrolle einer gesellschaftsspaltenden Eskalationsdynamik abzuwägen. Politik im Sinne einer engagierten Sozialpsychiatrie sollte einen reflektierten und hartnäckigen Diskurs auf Augenhöhe zum Abbau von Unbehagen, Wut und Stereotypen moderieren. Das aktive und selbstbewusste Werben für die Zumutung des diskursiven Aneinanderwachsens sollte ein Teil des Selbstverständnisses einer politisch engagierten Sozialpsychiatrie sein.