Hogrefe, Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 4(39), p. 265-276, 2011
DOI: 10.1024/1422-4917/a000118
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Hintergrund: Das Ziel dieser Untersuchung war die Erfassung kognitiver und emotionaler Empathie bei Kindern und Jugendlichen mit psychiatrischen Störungen und einer gesunden Vergleichsgruppe unter Anwendung subjektiver und objektiver diagnostischer Verfahren. Methodik: Insgesamt wurden in der vorliegenden quasiexperimentellen Studie 96 Jungen untersucht. Davon wiesen 20 eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) vom unaufmerksamen (ADHS-U), 20 vom kombinierten (ADHS-K) Subtypus und 20 eine Störung des Sozialverhaltens (SSV) auf. Für die nichtklinische Kontrollgruppe (KG) wurden 36 gesunde Jungen untersucht. Das durchschnittliche Alter betrug 12.0 Jahre (SD = 2.36). Als Teilaspekte der emotionalen und kognitiven Empathie wurden die emotionale Reaktivität, die Emotionserkennung und die Perspektivübernahme mit subjektiven Fragebogen- und objektiven Testverfahren erfasst. Dabei kamen als subjektive Fragebogenverfahren der Interpersonal Reactivity Index (IRI; Davis, 1983 ) und der Index of Empathy for Children and Adolescents (IECA; Bryant, 1982 ) sowie als objektive Testverfahren der Empathy Response Task (ERT; Ricard & Kamberk-Kilicci, 1995 ) und eine an Buitelaar et al. (1999) angelehnte Zuordnungsaufgabe zur Emotionserkennung zum Einsatz. Ergebnisse: In dem objektiven Testverfahren des ERT zeigte sich die KG den Gruppen ADHS-K und SSV in der Fähigkeit zur Perspektivübernahme überlegen, insbesondere bei komplexen Aufgabenstellungen. Kinder mit ADHS-U zeigten in diesem Verfahren ein signifikant größeres Ausmaß an emotionaler Empathie als Probanden der Gruppe ADHS-K bei einfachen Aufgabenstellungen. Keine Gruppenunterschiede ergaben sich für die Aufgabe zur Emotionserkennung sowie für die subjektiven Fragebogenmaße IECA und IRI. Diskussion: Die gefundenen Defizite für Kinder mit ADHS-K und SSV unterstützen weitgehend die vorliegenden Ergebnisse der Literatur. Für die emotionale Informationsverarbeitung scheint – wie im Bereich der kognitiven – der Subtypus der ADHS eine bedeutsame Rolle zu spielen. Insbesondere objektive und ökologisch valide Testverfahren scheinen sich zur Erfassung der Empathie zu eignen.