Hogrefe, Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 4(32), p. 279-289, 2004
DOI: 10.1024/1422-4917.32.4.279
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Zusammenfassung: Fragestellung: Die Frage der Indikation und Wirkung antidepressiver Medikation bei Anorexia nervosa mit Beginn im Kindes- und Jugendalter im Verlauf stationärer Behandlung wurde bislang nur wenig untersucht. Auch mangelt es an vergleichenden Studien zu Verträglichkeit und Wirkung unterschiedlicher Thymoleptika an anorektischen Patienten dieses Altersspektrums. Gegenstand der vorliegenden Studie war ein Vergleich der Behandlungsverläufe unter Paroxetin, einem SSRI, und Clomipramin, einem trizyklischen Antidepressivum mit serotonerger Wirkkomponente. Neben Qualität und Auftretenshäufigkeit unerwünschter Wirkungen sowie Häufigkeit und Ursachen des Absetzens der Medikation galt das Interesse verschiedenen therapeutischen Verlaufskriterien. Methodik: In die retrospektive Untersuchung wurden 83 Patientinnen einbezogen, die im Zeitraum von 1988 bis 1998 erstmalig stationär in der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Universität Würzburg behandelt wurden. Alle Patientinnen erfüllten die Kriterien einer «Anorexia nervosa» sowie «Depressiven Episode» nach ICD-10 und erhielten eine antidepressive Medikation mit Paroxetin- oder Clomipramin. Grundlage der Datenerhebung waren Basisdokumentation, multiaxiale Klassifikation sowie Verlaufs- und Abschlussberichte. Als Kriterien des Therapieerfolgs wurden die Behandlungsdauer (Tage) und der Gewichtszuwachs (kg/m2) bestimmt. Ergebnisse: Clomipramin wurde im Behandlungsverlauf signifikant häufiger als Paroxetin aufgrund unerwünschter Wirkungen sowie einer unzureichenden Beeinflussung der depressiven Zielsymptomatik abgesetzt (33,3 vs. 15,4%). Unter Paroxetin wurde ein vergleichbarer Gewichtszuwachs (2,8 vs. 2,6 kg/m2) in signifikant kürzerer Behandlungsdauer (71,9 vs. 96,5 Tage) erreicht. Schlussfolgerung: Kürzere Behandlungsdauer, raschere Gewichtszunahme, geringere Absetzquote und nicht zuletzt wirtschaftliche Überlegungen sprechen für eine im Vergleich zu Clomipramin positive Indikation von Paroxetin bei jugendlichen Patientinnen mit «Anorexia nervosa» und «Depressiver Episode». Eine prospektive Wirksamkeitsstudie ist zu fordern, um die dargelegten Ergebnisse zu prüfen.